Mittwoch, 1. Juni 2011

Die Hebammen

... sind t-online heute eine Schlagzeile wert. Die Kommentare darunter sind zwar gruselig, aber nun gut.
Es sind ja immer solche und solche unterwegs.

Im Bericht steht, dass eine Hebamme im Hamburger Geburtshaus 8-9 Euro die Stunde verdient. Für so einen Lohn würde ich gern arbeiten gehen und sicher ganz viele der Bevölkerung (vor allem hier im Osten) auch. Bei mir sind es nur 4-5 Euro netto, die übrig bleiben. Und das ist schon sehr frustrierend, vor allem, wenn man die Bruttozahlen sieht, die gar nicht übel sind. So gesehen. Mein Umsatz überrascht mich auch immer wieder, aber am Ende bleiben weniger als 50% übrig. Denn die Abgaben sind nicht nur die hohe Haftpflicht, neben KV und Steuer müssen wir auch die volle Rente zahlen. Und zwar vor der Steuer. Das sind knapp 20%, die mal so eben weg gehen. Neben allem anderen ist das immer ganz schön happig, was abgezogen wird. Das Los der Freiberuflichkeit, ich weiß.
Unterm Strich, und das sehe ich als wirkliches Hauptproblem, steht unser Verdienst in keinem Verhältnis zu dem, was wir an Verantwortung tragen. Mal von dem was wir leisten ganz abgesehen.
Als Beispiel: Ich arbeite in einem kleinen Krankenhaus als Beleghebamme. Dort werden etwa 400 Kinder im Jahr geboren. Rein wirtschaftlich gesehen, müsste das Krankenhaus die Geburtshilfe schließen. Unter 700 Geburten lohnt es sich nicht, angestellte Hebammen zu haben, denn dann wird es ein Verlustgeschäft. Die Hebammen in eben jenem Krankenhaus wollten die Schließung nicht und gingen in die Freiberuflichkeit. Sie arbeiten im Belegsystem. Dabei  haben sie sich für 12-Stunden-Dienste entschieden, was eine unheimliche Belastung ist, aber wahrscheinlich am wirtschaftlichsten (zeitmäßig gesehen).
In der Klinik müssen wir Hebammen einen Arzt hinzuziehen. Ergibt sich eine pathologische Situation, dann sowieso. Hat die Hebamme mehr Ahnung als der Arzt (was bei ungenügend ausgebildeten Assistenzärzten die Regel ist), dann haftet die Hebamme genauso für eventuelle Fehler wie der Arzt. Wir tragen also eine enorme Verantwortung. Und dafür werden wir, und das ist die einhellige Meinung aller Kolleginnen, nicht ausreichend bezahlt. Brutto vielleicht, aber Netto eben nicht.
Die Beleghebammen, die nicht, wie wir, im Poolsystem (alle arbeiten in einen Topf und der wird dann nach geleisteten Arbeitsstunden ausbezahlt) arbeiten, haben auch noch das Dilemma, dass sie nicht unendlich viele Frauen annehmen können. (Selbst wir müssen eine Kollegin rufen, wenn mehr als zwei Frauen zu betreuen sind, weil es einfach nicht anders zu bewältigen ist. Denn unser Beruf lebt von Qualität, nicht von Quantität. Je mehr Frauen ich betreuen muss, um so schlechter ist die Betreuung. Das ist auch das Problem an großen Kliniken. Wenn kleine Kliniken schließen, dann müssen die Frauen zwangsläufig an große Kliniken. Dort betreuen die angestellten Hebammen pro Dienst oft mehr als nur zwei Frauen. Überlastung und Frust sind vorprogrammiert, die Qualität der Betreuung leidet. Und nicht umsonst empfiehlt der Verband, dass auch Hebammen, die nur angestellt sind, sich noch zusätzlich versichern. Denn bei eventuellen Klagen reicht die Versicherung über das Krankenhaus nicht aus.
Auch die Freiberuflichkeit ohne Geburtshilfe ist nicht die finanzielle Lösung. Die Versicherungssumme ist zwar deutlich kleiner. Aber die Kernarbeit einer Hebamme ist die Geburtshilfe und viele Hebammen sind nicht glücklich darüber, diese aufgeben zu müssen. An Kursen verdient man nur, wenn man einen Kurs proppenvoll macht, was nicht schön ist. Für Hausbesuche nach der Geburt bekommen wir eine Pauschale, egal wie lange wir bei der Familie sind. Das ist an manchen Tagen gut, wenn ich nur noch zum wiegen hingehe und sonst nichts anliegt, aber bei Problemen kann es auch sein, dass ich mich absolut unterbezahlt fühle.
Ich weiß nicht, wie eine Lösung aussehen kann.
Vielleicht wäre es eine, wenn die Kassen mehr bezahlen würden. Ich weiß nicht, was Ärzte bekommen. Sicher wäre es gut, wenn ich da Vergleichszahlen hätte, aber da ich nicht privat versichert bin hab ich keinen Einblick in die Abrechnung.
Mir schwebt ja vor, dass es für die Versicherung irgendeinen Fond gibt. Oder eben einen Fond, um die zwar wenigen, aber immens teuren Schäden abzudecken.
Schön wäre es schon, wenn es eine Entspannung in dem Thema geben würde, damit die Kolleginnen sich wieder glücklich ihrem Beruf zuwenden können und nicht immer nur auf den Verdienst schauen müssen. Ist anstrengend, vor allem, wenn man sich dann noch mit den Kassen um Cent-Beträge streiten muss. Aber das ist ein anderes Thema.

So, jetzt ist es viel geworden hier. Manchmal fehlen mir auch die richtigen Worte. Ich will nicht jammern. Da geht es anderen schlechter, wahrlich. Ich mach meinen Job gern, auch für wenig Geld. Ich darf einfach nicht so viel über die Bezahlung nachdenken, sondern mich den Frauen widmen, dann geht das schon.

Die Hebammerei ist eben weniger Beruf als Berufung!

2 Kommentare:

Sigrid hat gesagt…

Ich glaube diesen Post kann jede freiberufliche Hebamme unterschreiben.
Danke, dass es Euch gibt!!!

Eliane Zimmermann hat gesagt…

super-text!!!!